Es ist noch dunkel als Ma viel zu früh für einen Sonntagmorgen leise aufsteht, sich anzieht, durch die dumpf knarrende Schlafzimmertür schlüpft und wie auf Samtpfoten leichtfüßig und beschwingt die Treppe hinabläuft. Minka ihre schwarze Katze steckt den Kopf aus der Küchentür und empfängt sie schnurrend. Ma betritt die Küche und setzt sich lächelnd neben ihre Katze auf den kalten Boden, um sie streichelnd zu begrüßen.
Noch liegt der Duft von Weihnachtsplätzen und Lebkuchen in der Luft, die sie zusammen mit ihrer Tochter Maja gebacken hat. Ma steht lächelnd auf, geht zum Küchentisch, legt ihr Notizbuch, ihren Stift ab und zündet zwei der Kerzen an, die auf dem Tisch stehen. Dann kocht sich eine Tasse Kaffee und setzt sich auf die kniehohe warme Heizung. Minka schmiegt sich dicht an ihre Beine und kuschelt sich laut schnurrend an Ma’s linken Fuß.
Ma’s Hände umschließen die Tasse mit warmen Kaffee, an der sie noch einmal genußvoll riecht bevor sie einen kleinen Schluck trinkt. Sie liebt diese Momente der Ruhe, Momente in denen sie nur die Stille und das leise Schnurren ihrer Katze hört; einfach, da zu sein, wo sie gerade ist. Mit einem Herz voller Dankbarkeit lächelt Ma während sie in die Weite des Tales hinabschaut ohne es zu sehen und einen weiteren Schluck … und einen weiteren Schluck ihres Kaffees genießt.
Nach einer Weile steht Ma auf, geht von Minka umschmeichelt zum Küchentisch und setzt sich auf die Eckbank vor dem alten Kachelofen, der noch immer eine wohlige Wärme abstrahlt. Sie schlägt ihr Notizbuch auf, nimmt ihren Bleistift und schreibt:
„Sei liebevoll und freundlich …
Was bedeutet liebevoll und freundlich?
Für mich?
Im Umgang mit anderen?“
Diese Fragen beschäftigen Ma schon eine Weile. Sie denkt nach … denkt an Situationen, in denen sie mit anderen Menschen liebevoll und freundlich umging, sah sich und die anderen glücklich und erlebte die Gefühle noch einmal!
Dann ziehen Wolken auf, es kommen ihr Situationen in den Sinn in denen sie gerade im Kreise ihrer Familie gar nicht liebevoll und freundlich war … Wenn sie diese Situationen so Revue passieren lässt, war sie so manches Mal genervt, hatte einen gereizten Ton, … Mit diesen Situationen kommen Gedanken und die damit verbundenen Gefühle, die ihr Unwohlsein bereiteten. Doch Ma bleibt dabei auch diese Situationen, diese Gedanken und Gefühle wie als Zuschauer eines Bühnenstücks zu betrachten, läuft nicht davor weg und widersteht dem Impuls sich angenehmeren Situationen zu widmen.
Sie fragt sich: Warum bin ich manchmal gerade den Menschen gegenüber, die ich Liebe ungeduldiger, abwehrend oder gereizt? Gerade sie haben es anders verdient … Sie ist versucht einen „Schuldigen“ zu suchen … Nein, das wollte sie jetzt nicht, sie überlegt weiter und stellt fest, dass sie in manchen Situationen, auf Worte und auf Verhalten anderer automatisch reagierte. Immer wieder … Sie hält inne.
Mit einem Lächeln auf den Lippen zeichnet sie ein Stop-Schild in ihr Notizbuch und schreibt daneben: Erst stoppen, dann reagieren … dann agieren. Dieses agieren kann – muss aber nicht – liebevoll und freundlich sein.
Oh je, da ist es wieder dieses Glücksgefühl etwas für sich herausgefunden zu haben, das von einem Weghmutsgefühl begleitet wird. Kein Opfer der Umstände? Sondern ein Lebensgestalter? Eine gute und schlechte Feststellung zugleich. Ja es ist und bleibt auch so: „Du kannst die Situation, die Worte oder das Verhalten anderer nicht ändern … aber was Du darüber denkst, wie du damit umgehst, darauf reagierst, kannst allein Du entscheiden!“
Ma nimmt sich vor gerade im Umgang mit ihrer Familie stets ein „Stop-Schild“ dabei zu haben, etwas Neues auszuprobieren – aber mit Herz. Plötzlich öffnet sich schwunghaft die Küchentür und reißt sie aus ihren Gedanken. Ma schaut überrascht zur Tür.
Ihre Tochter Maja stürmt freudig hinein. Sie fragt mit einem etwas erschrockenem Blick und stammelt: „Du schreibst …?“
„Ja, ich schreibe,“ antwortet Ma liebevoll und freundlich, während sie ihren letzten Satz mit einem Punkt beendet. Sie schließt ihr Notizbuch, legt es zusammen mit ihrem Bleistift zur Seite, richtet ihren Blick mit einem strahlenden Lächeln auf ihre Tochter und antwortet freudig: „… und jetzt bist Du da!“ – Was für ein besonderer Moment denkt Ma als sie ihrer Tochter einen guten Morgen wünscht und in die Arme schließt.
Danke.

Marion Rosenkranz

MaJa’s kleine Geschichten
Das Mädchen mit den Zauberhänden … fortgeschrieben

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