Schritt 4: Maja’s erster Schatz
Oh nein, wir ziehen um, oder doch ein Grund zur Freude?
Lieber Schatz“finder“,
liegen die ersten drei Schritte hinter Dir?
Hast Du Antworten auf die Fragen gefunden?
Dann bist Du bereit für meinen ersten Schatz.
Warum fing ich an zu weinen?
Was dachte ich, bevor ich anfing zu weinen?
Worauf richtete ich meine Aufmerksamkeit?
Als ich so müde im Auto saß und appetitlos auf meinem Schokocroissant herumkaute, fühlte ich mich elend.
Warum wurde ich auf einmal so traurig?
Warum fing ich an zu weinen?
Meine Ma und ich fuhren mit dem Auto durch die Nacht. Müde sah ich dem Regen zu, der auf das Auto und die Scheiben pladderte, und wurde mir der Folgen unseres Umzugs bewusst – meine Gedanken gingen auf die Reise …
Ich dachte:
– an mein schönes Zuhause, das wir verlassen haben und nie wieder dahin zurückkehren würden.
– an meine Freundin Lilli, mit der ich nach dem Umzug nicht mehr jeden Tag spielen konnte.
– an meine Oma, die nicht mir uns umziehen wollte und daran, wie sehr ich beide vermissen werde!
– …
Mit jedem dieser Gedanken fühlte ich mich trauriger. Schließlich füllten sich meine Augen mit Tränen. Ich begann zu weinen. Eine dicke Träne nach der anderen rollte an meiner Wange hinunter. Wenn ich jetzt daran denke, spüre ich noch heute die heruntergelaufenen Tränen, den salzigen Geschmack der Tränen und Traurigkeit, die mit jedem dieser Gedanken in mir wuchs.
In dieser Traurigkeit schaute ich auf meine Mutter. Sie strahlte während der Fahrt über das ganze Gesicht. Sie war in Hochstimmung und genoss ihren Cappuccino.
Ich fragte mich: „Wie kann Ma nur so gut gelaunt und ich so traurig sein?“
In der Antwort dieser Frage liegt mein erster Schatz:
Objektiv ist das Geschehen – wir ziehen um – bei uns beiden gleich, denn wir saßen zusammen im Auto und wir waren auf dem Weg zu unserem neuen Zuhause. Aber ich und Ma erlebten die Situation, den Umzug, unterschiedlich:
Ich erlebte den Umzug mit:
Oh nein, wir ziehen um! Ich war traurig, fühlte mich elend, mir schmeckte mein Lieblingscroissant nicht und ich weinte.
Ma erlebte den Umzug:
Oh ja, wir ziehen um! Mit einem erwartungsvollen Kribbeln im Bauch empfand sie Freude und dachte: Wie schön, nun ist es endlich so weit. Wir ziehen um! … Sie war glücklich, voller freudiger Erwartungen und strahlte über das ganze Gesicht. Ma war in Hochstimmung und genoss ihren Cappuccino.
Wie kann es sein, dass Menschen ein und dieselbe Ursache – den Umzug – so unterschiedlich erleben?
Wir betrachten die Welt durch einen persönlichen Filter. Ganz so, als hätten wir eine Brille mit getönten Gläsern auf. Diese Brille ist geformt aus unseren Überzeugungen, Vorstellungen, vergangenen Erfahrungen, Meinungen, Ideen und Interpretationen. …
Daraus folgt: Die Welt ist nicht, wie sie ist, sondern wie wir sie sehen.
Meine „Brille“ war sehr trübe und grau, so wie der Regen, der auf die Scheiben pladderte, denn ich dachte darüber nach, was ich alles verlieren und nach dem Umzug nicht mehr haben würde. Dieser Verlust machte mich in diesem Moment sehr traurig und ich fing an zu weinen.
Meine Ma freute sich schon seit Wochen auf den Umzug. Wir fuhren los und für sie war es „endlich“ so weit. Sie war fast an ihrem Ziel, dem neue Zuhause angekommen. Ihre „Brille“ war eine Mischung aus freudiger Erwartung und Neugier. Dies war Ma anzusehen. Obwohl es noch sehr früh am Morgen und wir, schon seit Stunden unterwegs waren, war an ihr keine Spur von Müdigkeit zu sehen. Sie sprühte vor Energie und war in Hochstimmung. Ihr strahlendes Lächeln auf ihrem Gesicht zeigte, wie glücklich sie war und ihren Cappuccino sehr genoss.
Mein erster Schatz aus diesem Erlebnis liegt in der Erkenntnis,
dass Menschen ein und dieselbe Ursache (ein objektives Geschehen/eine Situation) unterschiedlich, anders erleben können. Anders, nicht besser oder schlechter.
Um diesen Schatz zu bewahren, zeichnete ich in mein Notizbuch folgende Skizze. Wer weiß, vielleicht magst Du sie in Deine Welt mitnehmen.
Hast Du auch solche Situationen auch einmal erlebt? Wie war es genau? Was hast du gedacht? Was hast Du gefühlt? Magst Du es aufschreiben?
Du bist eingeladen, in den nächsten Tagen solche Situationen bei Dir oder auch bei anderen Menschen zu beobachten. Viel Freude dabei.